Ich schlage Tina vor, wenn wir anhalten für Bilder zu machen, vorher immer das Seitenfenster ein wenig zu öffnen, so das
man mit dem Arm noch den Türöffner erreichen kann. Ja, das wird mir nicht mehr passieren, gibt sie mir zu verstehen. Auch
wir setzen unsere Fahrt fort, denn das Tageslicht wird weniger. Am Twelve Mile Summit stoppen wir nochmal, oben auf dem
Gipfel, um den atemberaubenden Sonnenuntergang zu fotografieren. Ein glutrotes Licht überzieht ein letztes mal die
Berghänge bevor die Sonne ganz verschwunden ist und die Nacht über uns hereinzieht. Es ist überhaupt nicht kalt und
die Aussentemperatur Anzeige des Wagens zeigt gerade einmal schlappe -4 Grad Cels. an - ist ja fast wie im Frühling !!
Aber mit jeder Mile die wir uns Checkpoint Mile 101 nähern, wird es kälter. Die Weiterfahrt verläuft ohne weitere
Zwischenfälle und so erreichen wir um genau 18.30 Uhr Mile 101. Siehe da hier ist es -21 Grad Cels.,
das nenne ich winterliche Temperaturen.
Wir parken unsere Autos unten in unmittelbarer Nähe zum Steese
Highway und gehen dann zu den Hütten hoch, um erstmal guten Tag zusagen. Es sind nur ein paar Minuten Fussmarsch bis
zu der Haupthütte, wo gekocht, gegessen, geschlafen, erzählt und Gerüchte gestreut werden und wo sich auch nur mal kurz
aufgewärmt wird. Die Buden von Mile 101 sind eigentlich nur im Sommer von einigen Goldgräbern bewohnt, hier in der
Gegend wird in den kurzen Sommermonaten noch immer intensiv nach Gold gegraben. Jetzt im Winter werden die Hütten
von Peter Kamper und einigen freiwilligen Freunden und Helfern ehrenamtlich schon einige Zeit vor dem Yukon Quest Start
in Ordnung gebracht. Es ist jedes Jahr eine logistische Herausforderung fuer Peter Kamper und seinen Helfern,
doch meistern Peter und Co es jedesmal aufs Neue. Ich finde sogar es wird von Jahr zu Jahr besser ! Aber
Mile 101 ist auch so eine eigene Hausnummer, denn jeder der hier oben ankommt, wird immer freundlich empfangen. So
klopfen wir früh abends an die Tür der Haupthütte und eine laute Stimme bittet uns, mit einem 'Come In' herein. Als ich
die Tür öffne schlägt mir eine Hitzewelle entgegen, es ist Eric Cosmuto, der uns mit den Worten empfängt: Da kommt ihr
genau richtig, es wird gerade zum Essen gebeten. Puh, ihr habt aber gut geheizt sage ich zu Rainer Fischer, der am
Gasherd steht und den Löffel in einem Linsen-Eintopf mit Reis und zusätzlichen Bohnen rumrührt. Wir begrüssen mit
Tina erstmal die Anwesenden in der Hütte: Carsten Thies, seine Tochter Theresa, Mike, Eric, Peter, Rainer und noch
einige Volunteers, die sich gerade in der Hütte aufhalten.
Vorspeise, Nachschlag, Hauptspeise:
Eric Cosmuto der Trailbreaker von Mile 101 hat wieder sein traditionelles Essen zubereitet und bietet uns gleich eine
Portion an. 'Help yourself', sagt er und da lasse ich mich nicht zweimal bitten. Ich kenne Erics Essen aus
den Jahren zuvor, es gibt Kartoffel, Shrimps, Maiskolben und eine Art Rindswürstchen und alles ist in einem riesengrossen
Cooler, indem im Sommer eigentlich gekühlte Getränke aufbewahrt werden. Es sieht nicht
appetittlich aus, wenn man den Deckel des Cooler hebt, aber dafür schmeckt es umso besser. Ich mache mir eine Portion
zurecht und schlage Tina vor es mal zu probieren und auch sie ist begeistert. Wir setzen uns an den Tisch zu den
anderen und geniesen erstmal das leckere Gericht von Eric. Ich weiß bis heute noch nicht, wie das Gericht heißt aber
es schmeckt verdammt gut und es schmeckt nach Mehr !! Ich lange nochmal mit der Kelle in den Cooler und fülle meinen
Teller, Hey, ruft Rainer, probier auch mal meinen Eintopf! Klar doch Rainer gleich, erstmal die Vorspeise und dann
komme ich zu dir und probier deinen Eintopf. Rainer brüht in der Zwischenzeit noch einen frischen Kaffee auf und
dieser hat den Namen Kaffee redlich verdient, damit kann man Tote zum Leben erwecken! Es entwickelt sich ein
geselliger Abend und wir erzählen von unserem Missgeschick mit Tinas Auto. Da habt ihr aber echt Glück gehabt, war die
einhellige Meinung.
Ich schreibe noch etwas Tagebuch und merke wie meine Augenlider in der Wärme der Hütte immer
schwerer werden, es ist jetzt 22 Uhr und ich beschliesse mich ins Auto zurück zuziehen, um mich auf der Rückbank noch
ein wenig auszuruhen, denn in wenigen Stunden wird der erste Musher hier in Mile 101 erwartet. Ihr könnt mit den
Autos ruhig hier oben in der Nähe der Hütte parken schlägt uns Peter Kamper vor. Wir nehmen das Angebot
dankend an. Tina geht mit zu den Autos und wir fahren den kleinen Hang zu den Hütten hoch und stellen unsere
Leihwagen neben den schon dort geparkten Autos und Trailern. Hier sind wir in weniger als einer Minute an der Haupthütte
und bekommen alles mit, wenn sich dort etwas tut.Ich mache es mir auf der Rückbank des Wagens, so gut es geht, bequem,
setze meine Stirnlampe auf und lese ein wenig in einem Buch. Es
dauert nicht lange und ich kämpfe gegen die einsetzende Müdigkeit an - aber warum dagegen ankämpfen ? Nein, ich beschliesse
etwas zu dösen. In Tinas Wagen ist es schon dunkel ich glaube sie ist schon am poffen. Ich stelle mir den kleinen
Reisewecker auf 1 Uhr und dann knipse auch ich das Licht meiner Stirnlampe aus. Ich öffne das Seitenfenster einen
kleinen Spalt damit auch genug Sauerstoff und Frischluft ins Auto kommt und schliesse die Augen und lasse den
aufregenden Tag, der hinter uns liegt, noch einmal vor meinem geistigen Auge Revue passieren.
Ich muss fest eingeschlafen sein, denn als um 1 Uhr der kleine Reisewecker klingelt, weiß ich zuerst gar nicht, wo ich bin.
Erst langsam realisiere ich wo ich mich befinde! Ich drücke den Knopf des kleinen Quälgeistes und schäle mich aus dem
Schlafsack. Schnell in die Stiefel, Jacke, Mütze und Handschuhe an und dann dackel ich zur Hütte. Eine handvoll Leute
sitzen noch am grossen Tisch erzählen und trinken Kaffee. Einige andere haben sich zum Schlafen in den hinteren
Ruheraum der Hütte zurück gezogen. Wann erwartet ihr den ersten Musher hier in Mile 101, frage ich in die Runde. Oh,
in etwa einer Stunde wird der erste hier sein, gibt man mir zu verstehen, wenn du möchtest kannst du noch mittippen.
Wir haben eine Liste mit Namen, der Mittipper erstellt und jeder kann eine Zeit angeben, wann er den ersten Musher
in Mile 101 erwartet, der Einsatz beträgt 1 US $ und wer am nächsten an der Zeit dran ist bekommt den ganzen Einsatz
!! Ok, ich muss nur schnell zum Auto und hole mein Geld. Als ich zurück bin zahle ich den Dollar Einsatz und gebe
meinen Tipp ab. Ich tippe so gegen 4 Uhr wird der erste hier sein und beschliesse noch einmal zum Auto zurück zu
gehen, denn in der Hütte ist wieder gut geheizt.
Ich lasse den Wagen mal kurz an, um die Scheiben vom Rauhreif zu
befreien, der sich von innen auf die Fensterscheiben gelegt hat. Ein Blick auf die Temperaturanzeige sagt mir, dass
es -20 Grad Cels. draussen sind, also optimale Bedingungen für die Musher und die Hunde. Ich höre noch etwas Musik
und checke die Kamera Ausrüstung, damit auch alles ok ist, für den Fall das der erste Musher wirklich schon um 2 Uhr
in Mile 101 einläuft. Kurz vor zwei gehe ich wieder hoch zur Hütte, um zu hören was die Kaffeesatzleser zu sagen
haben. Es ist windstill und ein Hauch von grünen Nordlichtern wabbert über dem Eagle Summit - zwar nur schwach aber
immerhin besser als nichts. Dafür entschädigen Millionen von funkelnden Sternen am nächtlichen Himmel, ich halte
inne und kann nur noch staunen. Eine Autotür die zuschlägt, holt mich zurück in die Realität. Als ich in der Hütte
ankomme, frage ich erstmal, warum man sich so sicher ist das der erste Musher schon so bald hier in Mile 101
ankommen wird?
Yukon Quest: The Story of the World's Toughest Sled Dog Race Lew Freedman
192 Seiten - Der Autor und Co-Autor vieler Buecher von bekannten Mushern, wie Joe Redington, Dick Mackey, George Attla und DeeDee Jonrowe,
schreibt in diesem Buch zum ersten Mal ueber den Yukon Quest. Der bekannte Sport-Reporter konzentriert sich dabei auf das Rennen von 2009,
beschreibt aber auch die Geschichte des 26 Jahre alten Hundeschlittenrennen.
Zur direkten Bestellung Mehr Yukon Quest Bücher