Verschiedene Reportagen über das Yukon Quest und das Yukon Quest 300.
:: Reportage 2001 ::
Bericht ueber Bill Pinkham:
Von
Peter Kamper
© Copyright Peter Kamper
William 'Bill' Pinkham am Eagle Summit :
Seit dem spaeten Mittwochabend hatten die Freiwilligen am Streckenposten
"Mile 101" fast durchgearbeitet um alles am laufen zu halten. Nun war es
Freitagnacht, Tim Osmar hatte schon den Quest gewonnen und Bill
Pinkham, ein Musher aus Colorado, hatte gerade erst Central, einen Streckenposten
vor uns, verlassen.
Die Strecke ueber Eagle Summit bedarf mit guten Hunden je nach Wetter
ungefaehr 5-6 Stunden und wir rechneten damit, dass Bill gegen 2 Uhr
morgens bei uns auftauchen wuerde, worauf ich mir den Wecker auf 1 Uhr
45 stellte und in meinen Schlafsack in der hintersten Ecke der Huette
kroch.
Das Wetter hatte sich zusehendst verschlechtert und Windboen trieben
schon vor Sonnenuntergang grosse Schneeschwaden ueber das Eis des
kleinen Flusses neben unserem Streckenposten.
Als ich dann drei Stunden nach dem Einschlafen von meinem Wecker
wach wurde, war Kevin, unserer Elektronikfachmann und
Funker, schon auf. Ich schleppte mich an den kleinen Tisch neben
dem Ofen, goss mir eine
Tasse Kaffee ein und wir grinsten uns beide verschlafen an. Keiner von
uns wollte wirklich wach sein, aber wir leisteten uns gegenseitig
Gesellschaft.
Nach ein paar Schluck Kaffee oeffnete ich die wackelige Huettentuer und
ging hinaus in die Dunkelheit um in Richtung des Berges zu
gucken. Irgendwo dort oben sollte in Kuerze die Stirnlampe des Mushers
auftauchen.
Die Temperaturen waren auf -20 C gesunken und eine heftige Windboee, die
in Sekunden durch einen Wollpullover und zwei T-Shirts drang, trieb mich
zurueck zur Huette.
Zwischendurch sassen wir am Tisch, redeten oder schwiegen. Die Stille
wurde nur von dem prasseln des Feuers im Ofen und den Windboen
unterbrochen, die an dem kleinen, zugigen und baufaelligem Gebaeude
ruettelten. Die Kerze auf dem Tisch flackerte, die Gaslaterne zischte
leise und es wurde 3 Uhr.
Gegen 4 Uhr wurde das Wetter deutlich schlechter. Wir waren alle 15
Minuten nach draussen gegangen, um nach einem Licht auf dem Berg zu
suchen, aber es herrschte absolute Dunkelheit und der treibende Schnee
verhuellte Himmel und Berg auf gleiche Art.
Wir riefen Central ueber Kurzwelle, um herauszufinden ob Bill umgekehrt
war, bekamen allerdings keine Antwort. Dort schliefen alle.
Das Warten wurde zusehenst ungemuetlich und selbst der Kaffee liess an
Wirkung nach. Bill Pinkham liess zu lange auf sich
warten.
Überfällig - Vermisst
Wir redeten ueber die lange Nacht in der wir vor Jahren auf Jerry Louden
gewartet hatten.
Damals war Aily Zirkle noch seine Betreuerin gewesen und nicht die
beruehmte Musherin, die sie heute ist. Sie kam in unseren Streckenposten
und half sofort beim kochen und betreuen der anderen Musher. Louden kam
erst, als wir schon eine Rettungsaktion starten wollten, nach acht
Stunden. Sein Schlitten war durch einen Felsen angebrochen worden.
Gegen 5 Uhr waren auch diese acht Stunden vorbei und ich fand mich mit dem
Kopf auf dem Tisch und halbgeschlossenen Augen.
"Kevin",witzelte ich,"haeng das 'heute geschlossen-Schild' an die Tuer".
Wir lachten. Es ist interessant, dass nach Tagen in der einsamen Huette
unsere Witze immer duemmer und unser Gelaechter immer lauter wurde.
Der Wind heulte draussen vor der Tuer und ich legte Holz im Ofen nach.
Bei Tagesanbruch weckten wir Monti, unseren Trailbreaker. Er hat ueber
10000 km Wildnis und Berge in Alaska auf Motorschlitten befahren, ist
unsere Ein-Mann Rettungsmannschaft und sollte nun auf den Berg.
Central wachte gegen 7 Uhr auf und zeigte sich erstaunt, dass Bill noch
nicht bei uns war.
Als Monti seinen grossen und unverschaemt teuren Motorschlitten starten
wollte, war der Vergaser eingefroren.
Wir schleppten die Maschine in den Windschatten und versuchten sie in
Gang zu bringen, waehrend fast alle unanstaendigen Woerter der englischen
Sprache, die nicht im Lexikon stehen, mindestens dreimal benutzt wurden.
Die Lage wurde ernst. Pinkham war seit ueber 10 Stunden auf Eagle
Summit,der eine der schwierigsten Stellen der Quest darstellt und wir
verschwendeten keine Sekunde daran zu denken,dass er dort campiert
haette.
Monti startete seinen Motorschlitten endlich, setzte seinen Helm
auf und verschwand dem Trail Richtung Berg folgend im treibenden Schnee.
Gefroren - Gerettet
45 Minuten spaeter kehrte er zurueck und fuenf Minuten hinter ihm lief Bill
Pinkham ein, setzte den Schneehaken fuer sein Team und begann seine Hunde
wortlos zu fuettern.
Sein Overall von arktischem Kaliber war mit Eis und Schnee bedeckt, sein
Gesicht bleich und er schien wackelig auf den Beinen. Mit verbissenem
Stoismus betrat er allerdings unsere Huette nicht bevor seine Hunde in
tiefem Heu lagen und gefressen hatten.
Als ich Monti fragte, was los war warf er mir nur einen Blick zu und
runzelte die Stirn.
"Frag ihn", meinte er. "Der Kerl ist halbtot..."
Als Bill dann in die Huette kam waren die Reisverschluesse an
seinem Anzug so vereist, dass es einige Zeit brauchte, bis er sich am Ofen
aus seinem Anzug "herausbrechen" konnte und zeigte alle Zeichen akuter
Auskuehlung.
Mit einer Tasse heissen Tees erzaehlte er dann seine
Geschichte nahe am gluehenden Ofen, waehrend wir ihm eine riesige Portion
Ruehreier mit Speck auf unserem kleinen Gasherd machten.
Waehrendessen draussen der Sturm nachliess, der die umliegenden Berge ueber
Nacht in seinen Faengen gehalten hatte, begannen wir wieder einmal zu
verstehen, wieso Eagle Summit so gefaehrlich ist:
Bill verliess Central gegen 9 Uhr abends. Seine Hunde hatten lange
gerastet und er war ein erfahrener Musher. Obwohl er aus Colorado
kam, hatte er schon mehrere Rennen in Alaska gefahren.
Zuerst kaempfte er sich durchs Tal zum Eagle Summit durch und fand viel
offenes Wasser auf dieser Strecke.(Dies nennt sich Overflow; Wasser, das
durch das Flusseis an die Oberflaeche gedrueckt wird und selbst bei -40
C offene Wasserstellen bilden kann). Obwohl er und seine Hunde dort nass
wurden, machte ihm dies keine Sorgen. Ausruestung und Hunde sind an
Overflow gewoehnt und er hatte diese Situation taeglich auf dem Trail
erlebt.
w e i t e r